Der Blick schreibt über einen Knall im Schweizer Optikmarkt. Der Tagesanzeiger sieht, dass ein neuer Riese entsteht. Die NZZ meint, dass es in der Schweizer Optiker-Branche zu einer grösseren Verschiebung kommt. Sogar der Beobachter schreibt über den Milliardenpoker im Brillenmarkt. Die Handelszeitung spricht von einem Brillen-Monolith.
Schon seit Jahren wurde darüber philosophiert, wann Luxottica zum direkten Mitbewerber der Augenoptiker in der Schweiz werden würde und was dann die Folgen davon wären. Nun ist dieses Szenario eingetroffen. Die Heftigkeit überrascht. Mit der Übernahme von GrandVision sichert sich EssilorLuxottica auf Anhieb einen Marktanteil von 30% in der Schweiz. Endlich herrschen klare Verhältnisse. Doch, wie soll ein unabhängiges Augenoptikergeschäft auf diese neue Situation reagieren?
Der Zeitpunkt der Übernahme kommt etwas überraschend. Erst vor kurzem hat der Präsident des Verwaltungsrats, Leonardo Del Vecchio seinen Streit mit dem Vizepräsidenten Hubert Sagniers beigelegt. Del Vecchio ist der Gründer von Luxottica und mit 32% grösste Anteilseigner des neuen Optikgiganten. Auf dem Papier hat jedoch Essilor Luxottica übernommen, Hubert Sagniers vertritt die Interessen von Essilor im Verwaltungsrat.
Die Bewertung von EssilorLuxottica vor der Übernahme von GrandVision lag bei 46 Milliarden Euro. Nach der Megafusion dürfte der Gigant über 50 Milliarden Euro schwer sein. Der 7,3 Milliarden schwere Megadeal muss zuerst noch von Wettbewerbsbehörden aus verschiedenen Ländern abgesegnet werden, dieser Prozess kann gut 2-3 Jahre dauern.
Zu Grandvision gehören 7'200 Optikergeschäfte in über 40 Ländern, darunter auch Visilab, Koch Optik, +Vision und seit neustem auch McOptic. Die Gruppe erzielt weltweit einen Umsatz von 3,7 Milliarden Euro, also gut 530'000 Euro pro Geschäft.
Im Vergleich: Fielmann erwirtschaftet 2018 mit 736 Geschäfte einen Aussenumsatz von 1,65 Milliarden Euro und ist mit einem Durchschnittsumsatz von 2,1 Millionen Euro pro Geschäft deutlich profitabler. Bei den Schweizer Ablegern lag der durchschnittliche Umsatz sogar bei 4,7 Millionen Euro pro Filiale.
Die Visilab Gruppe hat erst gerade McOptic geschluckt und wird diesen vermutlich in Harddiscounter umwandeln. Die Übernahme scheint ein guter Zug zu sein, auch wenn es in den letzten Jahren etwas ruhiger um McOptic geworden ist und keine Stefanie Heinzmann oder Gilbert Gress von den Plakatwänden herunterlächeln. So kann Visilab das +Vision Konzept flächendeckend in die Deutschschweiz und das Tessin bringen.
Bei +Vision kostet eine Einstärkenbrille CHF 49.00 inkl. Gläser, eine Progressivbrillen gibt es bereits ab CHF 149.00. Dies ist natürlich auch eine Kampfansage an Fielmann, der seinerseits in die Westschweiz expandiert. Fielmann bezieht logischerweise keine Gläser mehr von Essilor. Man muss also kein Prophet sein, um sagen zu können, dass es in den kommenden Jahren zu einer Bereinigung auch unter den Filialisten kommen wird. Sicher werden auch einige der 700 unabhängigen Augenoptiker in der Schweiz diese Turbulenzen zu spüren bekommen.
Der Gesamtumsatz der Visilabgruppe liegt mit McOptic bei etwas über 320 Millionen. Vislab und Koch Optik haben 2018 mit 102 Geschäften einen Umsatz von CHF 264 Millionen erwirtschaftet, dies entspricht einem Durchschnitt von CHF 2,58 Millionen (2,36 Mill. Euro) pro Geschäft. Der durchschnittliche Umsatz der 62 McOptic Filialen liegt unter einer Millionen CHF. Der Gesamtumsatz von McOptic wird auf CHF 60 Millionen geschätzt.
EssilorLuxottica ist also zum direkten Mitbewerber und Konkurrent im einst so beschaulichen Schweizer Optikmarkt geworden. Viele unabhängige Augenoptiker haben sich bereits vor Jahren von Luxottica Produkten verabschiedet und konnten sich erfolgreich im Markt positioniert. Wer dies bis heute noch nicht getan hat, wird sich diese Frage spätestens jetzt stellen.
Bei den Gläsern ist die Situation etwas komplexer, da Essilor und Reize in der Schweiz einen hohen Marktanteil haben und die Bindung zu einem Glaslieferanten in der Regel tief ist. Auch hier stellt sich die Frage, ob der unabhängige Augenoptiker weiterhin direkt oder indirekt mit dem Optik Monolith aus Paris zusammenarbeiten möchte.
Gefordert sind auch die Einkaufsgruppen, in denen sich die meisten unabhängigen Augenoptiker organisiert haben. Sie werden eine Grundsatzdiskussion darüber führen müssen, ob sie EssilorLuxottica weiterhin als Partner betrachten können. Dazu gehört natürlich auch die Frage, wie die Zukunft von unabhängigen Augenoptiker aussehen wird.
Es wird sehr spannend sein, zu beobachten in welche Richtung sich der Glassektor in der Schweiz entwickeln wird. Einige unabhängige Augenoptiker werden wohl ihren Lieferanten wechseln. Es ist zu vermuten, dass neben Optiswiss auch Rodenstock, Zeiss und EYETECH davon profitieren könnten. Eigentlich müsste auch Hoya, als international grösster Gegenspieler von Essilor, zu den Gewinnern gehören. Nur war der Start von Hoya in der Schweiz etwas holprig und die Schliessung der Produktion in Stein am Rhein kommt nicht gut an.
EYETECH hat sich als versierter Marketingpartner für unabhängige Augenoptiker einen Namen gemacht. Rodenstock und Zeiss bestechen durch technische Innovationen. Ob Koch Optik weiterhin mit Rodenstock zusammenarbeiten wird, ist nur eine von vielen offenen Fragen. Optiswiss wird in Zukunft vermutlich weniger Gläser an die McOptic Filialen liefern können. Die Basler haben sich aber als Partner von VIU und Glassy einen grossen Teil des wachsenden Onlinemarktes gesichert.
Im Fassungsbereich werden sich viele unabhängige Augenoptiker noch stärker auf unabhängige Brillenhersteller fokussieren. Dies ist ein internationaler Trend, der noch weiter zunehmen wird. In Amerika trennen sich gerade massenhaft Independent Optiker von Lizenzmarken und entdecken begeistert die Welt der unabhängigen Brillenmacher. Es scheint förmlich eine Bewegung zu sein. Sie brechen aus alten Gewohnheiten aus und entdecken eine ganz neue Qualität und Freiheit.
Durch die Expansion von EssilorLuxottica in der Schweiz, wird der Graben zwischen Filialisten und unabhängigen Augenoptiker noch tiefer und breiter. Für uns als langjähriger und loyaler Partner der unabhängigen Augenoptiker sind das gute Nachrichten. Lieferanten die auf zwei Hochzeiten tanzen, resp. ihre Produkte bei Filialisten und unabhängigen Augenoptiker platziert haben, werden sich wohl oder übel für die eine oder andere Seite entscheiden müssen.
Die neue Situation bietet durchaus auch Chancen für die unabhängigen Augenoptiker. Jeder von uns kennt die Geschichte von David und Goliath. In der Regel sind die Sympathien in diesem ungleichen Kampf klar verteilt. Unsere Endkunden müssen aufgeklärt werden, dass sie die Wahl haben zwischen einem unpersönlichen Optik-Koloss und einem inhabergeführten persönlichen Fachgeschäft. Wollen sie lieber Fastfood oder währschafte Kost?
Es ist an der Zeit, den unabhängigen Mitbewerber im Dorf oder in der Stadt nicht mehr als Gegner oder Konkurrent zu sehen. Mit einem gemeinsamen Statement könnte man sich gut von den Filialisten abgrenzen, die gegenseitige Arbeit wertschätzen und sich gleichzeitig als eigenständiges Augenoptikergeschäft im Markt positionieren. Dank EssilorLuxottica werden die unabhängigen Augenoptiker und Einkaufsgruppen in der Schweiz noch näher zusammenrücken und den gegenseitigen Dialog vermehrt suchen. Eine in meinen Augen sehr positive Entwicklung.
Der Austausch zwischen unabhängigen Augenoptiker aber auch mit Brillendesignern war einer der Gründe, warum wir vor über zehn Jahren die Hall of Frames ins Leben gerufen haben. Darum überlegen wir uns, ob wir die HOF wieder zweimal im Jahr durchführen sollten…
Nathanaël Wenger
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