Ende Jahr ist Inventurzeit und ein guter Moment, sich vertieft mit der Lagerbewirtschaftung auseinanderzusetzen. Vor der OPTI in München stellt man sich die Frage, mit welchen Kollektionen man gut gearbeitet hat und welche Linien weniger gut gelaufen sind. Es gibt Basiskollektionen und solche die «nice to have» sind.
Angetrieben durch die stürmischen Veränderungen in der gesamten Optikerlandschaft findet auf allen Ebenen eine Konzentration statt. Dies spiegelt sich auch immer stärker in der Sortimentsgestaltung der unabhängigen Augenoptiker wider. Wir stellen eine starke Fokussierung auf wenige Topbrands fest. Austauschbare Massenware und grosse Labels finden wir praktisch nicht mehr bei unseren Kunden. Es gibt äusserst erfolgreiche Augenoptiker, die nur mit 10 - 15 unabhängigen Kollektionen arbeiten. Wie fast überall gilt auch hier das Paretoprinzip: Mit 20% der Kollektionen oder Modellen generiert man 80% des Fassungsumsatzes.
Bei den unabhängigen Augenoptikern sind die verkauften Stückzahlen eher rückläufig, dafür wird in der Tendenz hochwertiger verkauft. Die Risikobereitschaft mit neuen Brands zu experimentieren hat in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. Dies wegen den gestiegenen Ansprüchen der Kundschaft betreffend Lieferfähigkeit und Service, aber auch weil die Newcomer in der Vergangenheit die Erwartungen leider allzu oft nicht erfüllen konnten.
Die Vorteile einer Konzentration liegen auf der Hand. Zum einen kann man bei einer Brillenkollektion mehr in die Tiefe gehen und innerhalb des Brands eine grössere Auswahl anbieten. Man kann so innerhalb einer Kollektion besser experimentieren, von einem Modell mehrere Farben einkaufen und auch einmal eine Auffällige aussuchen. Bei einem grösseren Engagement des Augenoptikers ist der Fassungslieferant auch eher bereit grosszügig umzutauschen. So kann man ruhig auch einmal eine schwierige oder progressive Form ins Sortiment aufnehmen.
Weniger Lieferanten bedeutet auch administrativ weniger Aufwand und Zeitverlust. Letztlich ist es auch befreiend, wenn man sich klar für oder gegen eine Brillenkollektion entscheidet. In einer stürmischen See muss man Entscheidungen treffen, es fehlt schlicht die Zeit zum lavieren und herumeiern.
Ein stimmiges Sortiment
Das Warenlager bindet Kapital, bestimmt aber auch zu einem grossen Anteil das Profil eines Augenoptikers. Darum muss das Sortiment sorgfältig gepflegt und analysiert werden. Zu viele Brands können ein Profil verwässern. Zu wenig Auswahl schränkt den Handlungsspielraum ein. Dies wirkt sich meist negativ im Verkauf aus. Wie viele Stückzahlen werden von welchen Kollektionen verkauft, wie ist die Mischung zwischen Frauen und Männern, allgemein aber auch innerhalb einer Kollektion? Welche Kollektionen funktionieren bei Kindern und Jugendlichen gut, welche weniger? Was sind die Trends in der Zukunft, in welche Richtung geht die Reise?
Das sind nur einige der Fragen, die sich ein Einkäufer stellen muss. Je präziser sie gestellt werden, umso besser und genauer ist auch das Resultat. Im Idealfall wird der Aussendienst mit einbezogen und eingeladen sich proaktiv in diesen Prozess einzubringen. Ein guter Aussendienstler hat den Marktüberblick und weiss, welche Kollektionen funktionieren, was die Trends von Morgen sind. Der moderne Aussendienstler denkt mit und ist eigentlich mehr ein Unternehmensberater. Der reine Brillenverkäufer ist ein Auslaufmodell. Die Zeiten sind anspruchsvoller geworden aber auch spannender.
Die Erwartungen der Endverbraucher sind auf vielen Ebenen gestiegen. Augenoptiker sind gefordert im Bereich Service, in der Schnelligkeit aber auch in der Sortimentstiefe. Die Kunden möchten - am liebsten rund um die Uhr - eine konstante Auswahl an aktuellen Brillenfassungen im Laden ausprobieren können, möglichst auch in ausreichender Tiefe. Darum wünschen sich immer mehr Einkäufer eine engere Begleitung des Aussendienstes bei der Lagerbewirtschaftung.
Beim Fassungseinkauf entstehen Schwankungen, ähnlich wie bei einem Jo-Jo-Effekt. Kurz nach dem Einkauf läuft eine Kollektion meist sehr gut und die Topseller werden innerhalb weniger Wochen abverkauft. Oft schläft dann eine Kollektion für mehrere Monate ein, bis der Aussendienst sie beim nächsten Besuch wieder wachküsst.
Ein intelligentes Stock Management kann diese Schwankungen abfedern und sorgt für eine beständige Auswahl an qualitativ hochwertigen Brillenfassungen im Geschäft. Es geht nicht darum, das Lager möglichst aufzublähen, das Gegenteil ist der Fall. Jeder von uns weiss, dass Blähungen ungesund sind und unangenehme Gefühle und Nebengeräusche verursachen können.
Es ist möglich, mit einem kleinen kompakten Lager mehr Umsatz zu generieren. Voraussetzung ist eine gute und kontinuierliche Pflege des Sortiments. Diesen Prozess könnte man auch als Monitoring bezeichnen. Es geht um eine sorgfältige und systematische Beobachtung des Lagers durch den Augenoptiker UND den Aussendienst. Diese neue Art des Verkaufens erfordert ein Umdenken des Einkäufers aber auch des Verkäufers. Der Einkaufszyklus wird intensiviert, die Anzahl der Fassungen pro Einkauf wird reduziert. Ein solches Monitoring macht für beide Seiten nur dann Sinn, wenn ein Fassungsumsatz von mindestens 60 - 70 Stück pro Kollektion und Jahr möglich sind.
Inhouse Markenbotschafter
Bis dato besucht der Aussendienst den Augenoptiker 2 - 3 Mal pro Jahr. Dann präsentiert er die Neuheiten und ergänzt - wenn nötig - das Lager. Neu wird das Sortiment alle zwei Monate analysiert und bei Bedarf ergänzt. Fassungen, die nicht drehen, werden proaktiv umgetauscht. Der Aussendienst kann dies entweder vor Ort oder auf Distanz anhand von Lagerlisten tun.
Damit dieses System funktioniert, braucht der Aussendienst eine Ansprechperson im Geschäft. Diese Person überblickt das Sortiment und ist mit dem Aussendienst im regelmässigen Austausch. Die Ansprechperson ist zugleich auch der oder die Markenbotschafter/in für den Brand und kommuniziert mit dem restlichen Team. Dadurch steigt die Identifikation mit dem Brand und der Wissenstand nimmt stetig zu.
Die Kennzahlen
Das Lager wird gesteuert durch Kenngrössen wie den letztjährigen Umsatz und den Lagerumschlag. Oft kennen die Einkäufer diese Schlüsselzahlen nicht oder schenken ihnen zu wenig Beachtung.
Aus dem vorjährigen Umsatz wird das Umsatzziel für das kommende Jahr abgeleitet. Diese Zahl darf ruhig ambitiös formuliert sein, Ziele darf man hoch stecken. Wir rechnen mit einem Lagerumschlag zwischen 1.5 bis 2.0. Wenn also ein Umsatzziel von 60 Fassungen definiert wurde, ergibt dies einen Lagerbestand von 40 Brillen (bei 1.5) oder 30 Brillen (bei 2.0). Eine Basiskollektion sollte die zweier Marke locker erreichen. Komplexere, extrovertierte Kollektionen erreichen diesen Wert meist nicht.
Diese neue Form der Lagerbewirtschaftung bedingt die langfristige Perspektive des Augenoptikers, mit einer Kollektion auch über einen längeren Zeitraum arbeiten zu wollen. Sie basiert auf Vertrauen zum Aussendienst und auch darauf, dass dieser gut mit der Kontaktperson zusammenarbeitet.
Damit alle relevanten Punkte geklärt sind, haben wir eine Vereinbarung kreiert. Diese Vereinbarung ist nicht bindend, sondern dient als Orientierung. Bitte kontaktiert uns, falls ihr euch für diese neue Form der Zusammenarbeit interessiert.
Das Ziel einer optimierten Lagerbewirtschaftung ist eine deutlich höhere Qualität der Brillenfassungen im Laden. Dadurch wird der Verkauf an der Front professioneller und effizienter aber auch schneller.
Nathanaël Wenger
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